Notwendigkeit einer strukturierten und sektorenübergreifenden Zusammenarbeit mit Fokus auf der Informiertheit und dem Nutzen der Ratsuchenden und Patientinnen

Prof. Dr. med. Rita K. Schmutzler
Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs und Koordinatorin des Deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, Uniklinik Köln


Präsentation eines Projektes zur Verbesserung der Versorgung von Risikopatientinnen im Rahmen der Abschlussveranstaltung der Förderung im Nationalen Krebsplan mit Herrn Minister Gröhe am 19.5. 2016 (http://www.bmg.bund.de/ministerium/meldungen/2016/forschung-im-nkp.html)

Bei rund 30% der Brust- und Eierstockkrebserkrankungen liegt eine erbliche Belastung vor. Die Hochrisikogene BRCA1 und BRCA2 erklären jedoch nur rund 5-7% der Erkrankungen. Durch genomweite Untersuchungen auf modernen technologischen Plattformen, an denen das Deutsche Konsortium federführend beteiligt ist, werden derzeit neue Risikogene im Rahmen hochaktueller wissenschaftlicher Projekte identifiziert. Bislang fehlen jedoch fundierte Daten zu den konkreten Erkrankungsrisiken und der Wirksamkeit präventiver Maßnahmen. Die bisherigen Befunde belegen 1. die Existenz vieler weiterer Risikogene, 2. das unterschiedliche Erscheinungsbild der genetisch charakterisierten Tumortypen und 3. eine hohe Rate unklarer genetischer Varianten, die zu Fehlinterpretationen führen können.

Diese Komplexität erfordert dringlich die systematische Erfassung und klinische Validierung neuer Risikogene. Dies kontrastiert jedoch mit der Versorgungsrealität: Bereits jetzt werden unterschiedliche Genpanels mit über 90 Genen unkritisch in der Regelversorgung eingesetzt und nicht systematisch klassifiziert. Auf Grund fehlender Interpretationskompetenz kommt es zu therapeutischen wie präventiven Fehlentscheidungen bis hin zu nicht-indizierten prophylaktischen Operationen. Das Deutsche Konsortium setzt sich daher nachhaltig für eine evidenzbasierte und strukturierte Betreuung der Ratsuchenden zur Verbesserung der Versorgungsqualität und Patientensicherheit ein. Das Ziel besteht darin, medizinisch nicht indizierte klinische Maßnahmen zu vermeiden und so auch eine Fehlallokation von Mitteln der Solidargemeinschaft zu verhindern.

Dies kann nur mit einer Stärkung der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung gelingen. Risikopersonen brauchen Zugang zu umfassenden und gesicherten Informationen, die es Ihnen erlauben, eine informierte und präferenzsensitive Entscheidung zu treffen. Hierzu ist auch ein Wissenstransfer von spezialisierten Zentren zu Krebszentren erforderlich. Beides soll erreicht werden durch strukturierte Qualifizierungsmaßnahmen der Ärzte, die eine qualifizierte Risikokommunikation erlauben. Des Weiteren sind Patienteninformationen zur partizipativen Entscheidungsfindung dringend erforderlich.

Daher wurden folgende Initiativen ergriffen bzw. umgesetzt:
1. In 2015 konnte das Deutsche Konsortium erstmals einen wegweisenden sektorenübergreifenden Vertrag zur Betreuung von Risikopersonen mit dem vdek abschließen.
2. Offene Fragen werden in begleitenden Forschungsprojekten bearbeitet. So konnte das Deutsche Konsortium in 2015 eine Förderung im Rahmen des hochangesehenen und kompetitiven EU-Förderprogramms HORIZON2020 zur Identifizierung und klinischen Validierung weiterer Risikogene einwerben.
3. Ein Projekt des Deutsche Konsortium mit Fokus auf den ethisch, rechtlich, sozialen und gesundheitsökonomischen Herausforderungen der risikoadaptierten Prävention wurde im Rahmen der Förderung im Nationalen Krebsplan durchgeführt und die Ergebnisse am 9.5.2016 Bundesgesundheitsminister Gröhe im Rahmen der Abschlussveranstaltung präsentiert.
Diese in Deutschland exemplarisch gute Zusammenarbeit wird die Betreuung von Risikopersonen maßgeblich voran bringen und die Einführung genomgetriebener neuster Präventionskonzepte unter Berücksichtigung von Evidenz und Patientennutzen ermöglichen.


Kontakt:
Prof. Dr. Rita Schmutzler
Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs
Universitätsklinikum Köln
Kerpener Str. 34
50931 Köln
Tel.: +49 (0) 221 478-86509
E-Mail: rita.schmutzler@uk-koeln.de